Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB)Ausdruck vom 01.04.2025 15:53 Uhr
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Presseinformation KVB-Vertreterversammlung: Bundesregierung muss Rollout der elektronischen Patientenakte verschieben

München 31. März 2025: Klare Appelle und Forderungen an die künftige Bundesregierung zur Stärkung der ambulanten Versorgung prägten die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), die am vergangenen Freitag in München stattfand. Unter der Leitung von Dr. Petra Reis-Berkowicz, der Vorsitzenden der Vertreterversammlung, diskutierte das Gremium die Rolle des ambulanten Sektors für ein krisenfestes und resilientes Gesundheitswesen. Einen klaren Appell gab es in Punkto Elektronische Patientenakte (ePA): Die Bundesregierung müsse den flächendeckenden Rollout unbedingt verschieben, um einen Fehlstart und damit Frust bei Ärzten und Psychotherapeuten sowie den Patienten zu vermeiden.

Zu Beginn der Vertreterversammlung gratulierten die Delegierten und der Vorstand Dr. Petra Reis-Berkowicz für den Erhalt der Bayerischen Staatsmedaille für Verdienste um Gesundheit, Pflege und Prävention. Der KVB-Vorstand, Dr. Christian Pfeiffer, Dr. Peter Heinz und Dr. Claudia Ritter-Rupp, informierte anschließend über die wesentlichen Projekte und Initiativen der KVB in den vergangenen Monaten. Dabei gab der Vorstand erste Einblicke in die geplante Digitalisierungsoffensive, um die Kommunikation der KVB mit den Praxen zu erleichtern. Diese wurde von der Vertreterversammlung einstimmig unterstützt.

Eine langfristige Entlastung insbesondere der hausärztlichen Praxen soll das telemedizinische Projekt DocOnLine in Pflegeheimen bringen, das derzeit mit fünf bayerischen Einrichtungen gestartet werde. Vom Pilotprojekt RTWAkut im Landkreis Rosenheim sollen ebenfalls Anstöße für eine bessere Patientensteuerung ausgehen. Dabei können Patienten, die kein Notfall sind, nach einer digitalen Ersteinschätzung mit dem Rettungswagen in die Praxen der Haus- und Fachärzte gefahren werden und damit die Notaufnahmen entlasten. Des Weiteren warb der Vorstand bei der Ärzteschaft für die zuletzt weiter optimierten Abrechnungsservices, beispielsweise von HybridDRG. Eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung erwartet sich der Vorstand von einer Initiative der bayerischen Selbstverwaltungspartner. Mittels umfangreicher Bedarfsanalysen sollen die unabhängigen Zulassungsausschüsse in ihren Entscheidungen über zusätzliche psychotherapeutische Behandlungskapazitäten fundiert unterstützt werden. Dies soll in den Planungsbereichen zur Anwendung kommen, in denen Auswertungen der KVB besonders lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz identifiziert haben.

Mit Nachdruck sprachen sich Vorstand und Vertreterversammlung gegen einen zu frühen Start der ePA aus. Echte Lasttests im laufenden Patientenbetrieb mit deutlich mehr als den bisher 300 eingebundenen Praxen seien aufgrund der bisher oft mangelhaften Hard- und Softwarearchitektur noch gar nicht möglich. Der Start sei so lange zu verschieben, bis wesentliche Qualitätskriterien wie die reibungslose Einbindung in alle Praxisverwaltungssysteme erfüllt seien. Auch die Informationspolitik der Krankenkassen weise weiterhin massive Defizite auf, insbesondere zu den einzelnen Widerspruchsmöglichkeiten und Einschränkungsmöglichkeiten der ePA. Die Vertreterversammlung appellierte daher einstimmig an das Bundesgesundheitsministerium, den Rollout der ePA zu verschieben.

Kritisch sehen Vorstand und Delegierte die jüngst entstandenen Rechtsunsicherheiten und Widersprüche im Zusammenhang mit der Videopsychotherapie. Das Berufsrecht erfordere die Anwesenheit der Patienten bei Eingangsdiagnostik, Indikationsstellung und Aufklärung in den Praxisräumen. Die Psychotherapie-Vereinbarung im geänderten Bundesmantelvertrag lasse aber dies auch per Video zu. Nur als ersten Schritt wertet es der Vorstand, dass in Zukunft Digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) genauer auf ihren Erfolg untersuchen werden. Die geplante Evaluation weise inhaltliche und methodische Schwächen auf und müsse daher nachgeschärft werden.

Einstimmig drängten die Delegierten auf ein Praxenförderungs- und Praxenzukunftsgesetz, um die Rahmenbedingungen für niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten zu verbessern und damit das gesamte Gesundheitswesen resilienter zu machen. Auch die Regulierung von investorenbetriebenen medizinischen Versorgungszentren wurde weiterhin als dringlich angesehen, um die Qualität der ambulanten Versorgung aufrecht zu erhalten. Der Einstieg von Investoren in MVZ müsse deutlich erschwert werden. Weitere Themen waren die Reform der Notfallversorgung und die Ablehnung jeglicher Einmischung Dritter wie der Krankenkassen in die Terminvergabe der Praxen.

Eine klare Absage erteilten Vorstand und Delegierte Überlegungen, ein Register für psychisch Kranke zu erstellen, wie sie nach den jüngsten Attentaten in Magdeburg, Aschaffenburg, München und zuletzt Mannheim erhoben wurden. Die Stigmatisierung, die mit einem solchen Register einhergehe, würde das Risiko von Gewalttaten möglicherweise eher steigern und brächte keine Verbesserung der inneren Sicherheit in Deutschland.

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